Die 40er Jahre des 19. Jahrhunderts waren für große Teile der Eifeler Bevölkerung eine Zeit großer Not. Auf den ohnehin kargen Eifelböden waren die Ernteerträge bei Getreide infolge ungünstiger Witterungseinflüsse im Verlauf mehrerer Jahre besonders gering; die Kartoffelernte litt über Jahre unter einer Fäulniskrankheit. Erhebliche Teuerungsraten bei Mehl und Kartoffeln, den Hauptnahrungsmitteln der ärmeren Landbevölkerung, waren die Folge. Zahlreiche Familien waren nicht in der Lage, den überlebensnotwendigen Zukauf von Nahrungsmitteln zu bestreiten und mussten sich verschulden. Und als sei dies noch nicht genug, erlebte zeitgleich mit den Missernten die Eifeler Eisenindustrie eine erste ernsthafte Krise. Das in der Eifel produzierte Roheisen konnte mit dem billigeren ausländischen Roheisen, das zur damaligen Zeit begann, den deutschen Markt zu überschwemmen, nicht konkurrieren. Die Eifeler Hütten arbeiteten noch nach veralteten Methoden, die Produktionskosten waren weitaus höher, die Erzeugnisse nicht unbedingt besser. Die Hüttenbetreiber blieben auf ihren Produkten sitzen, und auch der Eisenstein, den die Landwirte in den Wintermonaten im Nebenerwerb als freie Bergtreiber in kleinen Gruben förderten, fand keine Abnehmer mehr. Nach und nach mussten Eifelhütten ihre Produktion einstellen oder drosseln. Zahlreiche Hüttenarbeiter wurden freigestellt. Dienstleister, die abhängig waren von florierenden Hütten, Fuhrleute und Handwerker, verloren ihre Aufträge. Ein Großteil der männlichen Bevölkerung ganzer Ortschaften war von Arbeitslosigkeit betroffen. Die Missernten und die weitverbreitete Erwerbslosigkeit hatten Hungersnöte zur Folge. Mangelerkrankungen und Seuchen breiteten sich aus. Die Sterblichkeitsrate der 40er Jahre war hoch.
In der Hoffnung auf eine bessere Zukunft verharrte die Mehrzahl der verarmten Eifeler in ihrer misslichen Lage und blieb im Lande. Manche waren allerdings auf lange Sicht nicht bereit, ihr Elend zu ertragen. Bei der Suche nach einem Ausweg war für diese Personen die Auswanderung eine Option, insbesondere die Auswanderung in die Vereinigten Staaten von Nordamerika, und wenn es Auswanderungswillige aus den Ortschaften der heutigen Stadt Mechernich dorthin zog, dann vor allem in den Bundesstaat Wisconsin, wie dem von ALBERT VELSER zusammengestellten Verzeichnis der Auswanderer aus den Orten der Stadt Mechernich entnommen werden kann. Als habe man sich abgesprochen, war es 1844 zu einem ersten Auswanderungsschub gekommen. Auswandererbriefe, von denen es in der Folgezeit sicherlich nicht wenige gab, berichteten von einem gelungenen Neuanfang in der Fremde, während sich in der Eifel die Lebensbedingungen zunehmend verschlechterten. Die Krise erreichte in den Jahren 1846 und 1847 ihren Höhepunkt. Zu Beginn des Jahres 1847 stieg die Zahl der Familien, die Auswanderungsanträge stellten, dramatisch an, und im Verlaufe dieses Jahres kam es zu einer regelrechten Auswanderungswelle.
Diejenigen, die legal auswandern wollten und die Auswanderung offiziell beantragten, mussten bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Sie durften keine Steuerschulden und sonstigen finanziellen Verpflichtungen haben und mussten genügend Kapital besitzen, um die mit der Auswanderung verbundenen Kosten bestreiten zu können. Darüber hinaus mussten militärpflichtige männliche Auswanderer ihren Militärdienst abgeleistet haben. Die Auswanderer verloren alle Rechte eines preußischen Staatsangehörigen. Ohne Erlaubnis durften sie preußischen Boden bei Androhung von Strafe nicht wieder betreten.
Folgende Stellen und Amtsträger waren an der Entscheidungsfindung über einen Antrag auf Auswanderung beteiligt. Der Gemeindebürgermeister, der den Antrag befürwortete oder gegebenenfalls Einwände vorbrachte, der Landrat, die zuständige militärische Behörde, die Auskunft darüber gab, ob männliche Auswanderungswillige ihren Militärdienst abgeleistet hatten, oder aber von der Ableistung befreit werden konnten, und als höchste Instanz die Abteilung des Inneren bei der Königlichen Regierung in Aachen, die mit der Entlassungsurkunde den Konsens erteilte, die Erlaubnis zur Auswanderung.
Zu Beginn des Jahres 1847 beantragte Johann Giesen für sich, seine Frau Gertrud (geb. 1812), eine geborene Raetz aus Bergheim, die drei gemeinsamen Kinder Hubert (geb. 1839), Anna Catharina (geb. 1844) und Michael (geb. 1846) sowie seine drei jüngsten Geschwister die Auswanderung nach Nordamerika. Der am 28. Mai 1805 in Eiserfey geborene Johann Giesen war das erste von zehn Kindern der Eheleute Andreas Giesen und Anna Catharina Schmitz. Neben Johann überlebten das Kindesalter nur die vier zuletzt geborenen Geschwister. Der Altersunterschied war erheblich. Als der Vater im April 1835 starb – die Mutter war ein Jahr zuvor gestorben – waren die Geschwister Gerhard, Anna Catharina und Arnold erst dreizehn, zehn und sechs Jahre alt. Seit dem Tod der Eltern und über die Gründung seiner eigenen Familie hinaus war Johann Giesen für seine Geschwister verantwortlich. Als er im Jahre 1836 heiratete, war er Fabrikarbeiter in einer der nahegelegenen Hütten gewesen. Inzwischen musste er sich als Tagelöhner verdingen, und als solcher war er im Krisenjahr 1846 wohl kaum noch in der Lage, seine Familie zu ernähren. Eine Alternative zur Auswanderung scheint es für ihn und seine Geschwister nicht gegeben zu haben.
Zur gleichen Zeit trug sich die in Bergheim ansässige, mit den Giesens verschwägerte, Familie des Johann Peter Briesgen mit entschiedenen Auswanderungsabsichten, und es darf als sicher gelten, dass die Auswanderungspläne beider Familien im gegenseitigen Austausch reiften. Briesgen (geb. 1813), von Beruf Bergmann und im Nebenberuf Landwirt, war mit Agnes Raetz (geb. 1815) verheiratet, einer Halbschwester der Gertrud Giesen. Er stellte den Auswanderungsantrag nicht nur für sich, seine Frau und die vier gemeinsamen Kinder, sondern auch für seinen Schwager, den Tagelöhner Michael Raetz (geb. 1800), den älteren Bruder der Gertrud Giesen, und für die verwitwete Schwiegermutter Elisabeth Raetz (geb. 1784), eine geborene Commer, die Stiefmutter des Michael Raetz und der Gertrud Giesen.
Briesgen verfügte über ein Reisegeld in Höhe von 1100 Talern. Er übernahm die mit der Auswanderung des mittellosen Schwagers Michael Raetz verbundenen Kosten. Elisabeth Raetz (geb. 1784) war inzwischen 63 Jahre alt und verbrachte ihren Lebensabend im Kreise der Familie Briesgen. Sie fühlte sich offenbar rüstig genug und traute sich die Strapazen der Überfahrt zu; eine Wahl hatte sie nicht.
Die Behörden ließen die Familie Briesgen anstandslos ziehen. Die Entlassungsurkunde datiert vom 18. Februar 1847. Nach eigenen Angaben wollten die Auswanderer Anfang März den Ort Bergheim in Richtung Antwerpen verlassen. Das Auswanderungsziel war der Staat Wisconsin.
Auch den Giesens legten die Behörden keine Steine in den Weg. Der inzwischen 24-jährige Gerhard hatte seinen Militärdienst nicht abgeleistet. Man hatte schlichtweg vergessen, ihn einzuberufen. Die zuständige Militärbehörde sah von einer nachträglichen Ableistung der Militärpflicht ab und musterte ihn aus. Man billigte sogar den Wunsch der Familie nach kurzfristiger Abreise, und sorgte dafür, dass die Entlassungsurkunde im Eilverfahren ausfertigt wurde. Die Urkunde trägt das Datum 22. März 1847. Bereits drei Tage später wollten die Giesens nach eigenen Worten unserem Ort den Rücken kehren. Obwohl das Auswanderungsziel der Familie Giesen in den Auswanderungsdokumenten nicht erwähnt wird, besteht kein Zweifel daran, dass auch sie sich auf dem Weg nach Wisconsin machte.
Am 09. März 1847 beantragte der Schreiner Werner Schenzer in der Bürgermeisterei in Eiserfey für seine Familie die Auswanderung nach Wisconsin. Schenzer wurde am 25. Februar 1796 als Sohn der Eheleute Hilger Schenzer und Anna Catharina Schneider in unserem Ort geboren. Im Jahre 1827 heiratete er vor dem Standesamt Weyer die aus Harzheim gebürtige Anna Barbara Horst (geb. 1799). Nach der Eheschließung siedelte das Ehepaar nach Holzheim über. Doch die Ehe war nur von kurzer Dauer; Anna Barbara Horst starb am ersten Weihnachtstag 1830. Sie hinterließ eine zweijährige Tochter. Da das Kind eine Mutter brauchte, setzte der Witwer alles daran, sich sobald als möglich wieder zu verheiraten. Kaum acht Monate nach dem Tod seiner Ehefrau heiratete Schenzer in zweiter Ehe Anna Catharina Meurer (geb. 1795) aus Breitenbenden.
Bereits in den Jahren 1842, 1843 und 1844 waren mehrere Familien aus Holzheim und dem Nachbarort Breitenbenden nach Nordamerika ausgewandert. Auch die mit den Schenzers verschwägerte Familie des Bergmanns Peter Jacob Braun (geb. 1814), der mit Anna Maria Meurer (geb. 1804) verheiratet war, einer jüngeren Schwester der Ehefrau Schenzers, hatte sich 1844 mit zwei kleinen Kindern auf das Wagnis einer Auswanderung nach Wisconsin eingelassen. Dass in der Zwischenzeit in den Heimatorten der eine oder andere Auswandererbrief kursierte, ist mehr als wahrscheinlich. Als Werner Schenzer den Auswanderungsantrag stellte, gehörte er zu jenen, die über das Leben in der neuen Welt auf dem Laufenden waren, und man darf vermuten, dass der Entschluss der Familie zur Auswanderung durch die Berichte ausgewanderter Familien maßgeblich beeinflusst wurde.
Während die Schenzers noch unter den Auswirkungen des schlimmen Krisenjahres 1846 litten, müssen die Nachrichten aus der Neuen Welt ein verführerisch günstiges Bild vom Leben in Nordamerika vermittelt haben, und offenbar war es auch der Familie des Schwagers Braun gelungen, in der Fremde Fuß zu fassen. Anders ist es nicht zu erklären, dass das Ehepaar trotz seines fortgeschrittenen Alters – Schenzer war einundfünfzig, seine Frau zweiundfünfzig Jahre alt – fest entschlossen war, mit vier Kindern im Alter von neunzehn, fünfzehn, dreizehn und zehn Jahren in die Vereinigten Staaten auszuwandern. Wie aus dem Verhandlungsprotokoll hervorgeht, unterbreiteten die Behörden der Familie das Angebot, „nach der preußischen Provinz Posen oder dem Regierungsbezirke Cöslin“ überzusiedeln. Es ist bekannt, dass zur damaligen Zeit in den Provinzen des preußischen Ostens ein Bedarf an Siedlern bestand. Das Angebot der Behörden schlug Schenzer jedoch kategorisch aus. Er betonte, sich bei den „schon im Staate Wisconsin ansässigen Verwandten“, mit denen die Brauns gemeint waren, niederlassen zu wollen. Die Auswanderung der Familie Schenzer, die über ein Reisekapital in Höhe von 600 Talern verfügten, erlöst aus dem Verkauf ihrer Besitztümer, muss wie jene der Familien Giesen und Briesgen noch im Frühjahr 1847 erfolgt sein.
Fünf Jahre später wanderte der aus unserem Ort stammende Johann Heribert Volheim mit seiner Familie in die Vereinigten Staaten aus. Geboren wurde Johann Heribert am 01. März 1799 als ältester Sohn des Franz Joseph Volheim und der Margaretha Geich. Die Volheims gehörten zu den alteingesessenen und wohlhabenden Familien unseres Ortes. Johann Heriberts Vater war ein umtriebiger Geschäftsmann, zunächst Landwirt und wie seine Vorfahren Haus- und Grundbesitzer, später dann auch Grubenbesitzer und Gastwirt. Noch gegen Ende der französischen Herrschaft wurde er von den Besatzungsbehörden zum Bürgermeister von Weyer ernannt.
Zweifellos wurde Johann Heribert Volheim in eine gut situierte Familie hineingeboren. Gleichwohl verlief sein Leben nicht in geordneten Bahnen. Im fortgeschrittenen Alter von 36 Jahren verheiratete er sich mit der 30-jährigen Anna Elisabeth Schneider (geb. 1804) aus Weyer. Die beiden hatten ein uneheliches einjähriges Kind, welches Volheim bei der Anzeige der Geburt als sein leibliches Kind anerkannte.
In den Jahren 1836 und 1839 gingen aus der Ehe die Söhne Franz Joseph und Carl Theodor hervor. Einen Beruf übte Johann Heribert Volheim damals nicht aus; er bezeichnete sich als „Privatmann“. Als solcher lebte er von Einkünften. Jedoch war das Eigentum, welches die Einkünfte abwarf, vermutlich nicht seines, sondern das seines Vaters. Gegen Ende der 30er Jahre stockte der Geldfluss. Johann Heribert musste sich mit dem Gedanken vertraut machen, den Lebensunterhalt der Familie zukünftig mit seiner Hände Arbeit zu verdienen.
Im Jahre 1841 wurde er Gemeindeförster von Lommersdorf, und diese Stelle hatte er letztlich nur dem Einfluss seines Schwagers Johann Theodor Achatius Latz zu verdanken, der seit 1831 mit seiner jüngeren Schwester Catharina verhei- ratet war. Der Gewerke Latz war an mehreren Hütten beteiligt, unter anderem an der Ahrhütte in der Nachbarschaft von Lommersdorf. An der Oberahr kamen in den Folgejahren die Kinder Maria Catharina Josephine (geb. 1841), Hubert Anton Joseph (geb. 1842) und Carl Theodor (geb. 1847) zur Welt.
Im Verlaufe seiner etwa zehnjährigen Tätigkeit als Gemeindeförster tat Volheim alles Erdenkliche, um Bevölkerung und Obrigkeit gleichermaßen gegen sich aufzubringen. Bei der Bevölkerung scheint er sich verhasst gemacht zu haben, da er mit Härte gegen diejenigen vorging, die er im Wald beim Holzdiebstahl ertappte, wobei er sich offenbar widerrechtlich polizeiliche Befugnisse anmaßte. Die Behörden rügten ihn nicht nur des Öfteren wegen Kompetenzüberschreitungen, sondern auch wegen moralischer Verfehlungen. Er sei ein Ehebrecher und Säufer, der im Zustand der Trunkenheit zudem lästerliche und beleidigende Reden führe, so die Anschuldigungen. Seitens der Bevölkerung hagelte es Beschwerden. Von den vorgesetzten Behörden wurde er wiederholt ermahnt, verwarnt und mit Ordnungsstrafen belegt. Als ihm nicht mehr anders beizukommen war, wurde gegen ihn im Jahre 1851 ein Disziplinarverfahren eingeleitet, das mit seiner Absetzung als Förster endete. Sein Widerspruch wurde abgelehnt, die Kosten des Verfahrens ihm auferlegt. Sozial bereits seit langem isoliert, stürzte der Verlust der Stelle die Familie nun auch in materielle Not. Ihre Habe bestand zum Schluss nur aus wenigen Möbeln. Am 02. Januar 1852 starb der Vater, und zur gleichen Zeit muss der Entschluss, Preußen zu verlassen, Gestalt angenommen haben. Ob ein ursächlicher Zusammenhang zwischen beiden Ereignissen besteht, lässt sich nicht belegen. Dennoch ist es durchaus möglich, dass Johann Heribert mit dem Vater den Gönner verlor, und in der Folgezeit die Bereitschaft der Volheims, die Familie des schwierigen Sohnes zu unterstützen oder gar aufzunehmen, gering gewesen ist.
Die Behörden haben den Störenfried in seinen Auswanderungsabsichten nicht behindert, im Gegenteil, man betrachtete seine „Entfernung“ aus Lommersdorf, wohin er auch immer gehen mochte, als „wünschenswerth und vortheilhaft“. Lediglich mit der „höchst unglücklichen Familie“ scheint man Mitleid gehabt zu haben. Im Frühjahr 1852 verließ Johann Heribert Volheim mit seiner Frau und den drei überlebenden Söhnen Franz Joseph, Hubert Anton Joseph und Hermann den Ort in Richtung Antwerpen. Von dort aus traten sie auf dem Zweimaster Fanny die Reise nach Nordamerika an. Amerikanischen Einwanderungslisten zufolge erreichte die Familie am 19. Juli 1852 New York.
Nicht alle Auswanderer kehrten ihrer Heimat aus materieller Not den Rücken. Es gab vereinzelt auch solche, fast ausnahmslos Einzelauswanderer, die sich als preußische Untertanen ohne Not im Ausland aufhielten, versehen mit einem Pass, der ihnen die jederzeitige Rückkehr ermöglichte, und die aus persönlichen Gründen den Entschluss fassten, die Staatsangehörigkeit des Aufenthaltslandes anzunehmen. Diese Personen mussten zwangsläufig um die Entlassung aus dem preußischen Untertanenverband nachsuchen. Auch in diesen Fällen musste ein förmliches Auswanderungsverfahren durchgeführt werden.
Versehen mit einem Reisepass befand sich Volheim seit dem Frühjahr 1836 als Geselle „zur Vervollkommnung seiner Profession“ auf der Walz. Die Wanderjahre von Handwerksgesellen, ein Überbleibsel aus zünftiger Zeit, dienten der beruflichen Fortbildung, und die Kenntnis fremder Arbeitspraktiken konnte ein besonderes Qualifizierungsmerkmal sein. Volheim war bereits 27 Jahre alt, als er vom Ausland aus mit seinem Anliegen an die heimatlichen Behörden herantrat. Über Wien war er zuletzt nach Laibach gekommen, damals eine österreichische Provinzhauptstadt, und heute unter dem Namen Ljubljana die Hauptstadt von Slowenien. In Laibach hielt er sich bereits seit längerem auf. Dort verkehrte er in Schlosser- kreisen und lernte die Witwe eines Schlossers mit Namen Bibler kennen. Die beiden kamen sich näher und wollten heiraten. Volheim fasste den Entschluss, sich in der Heimatstadt seiner Braut niederzulassen und war bereit, auf die preußische Staatsangehörigkeit zu verzichten. Der Vater unterstützte die Absicht seines Sohnes in vollem Umfang und gab die Erklärung ab, seinen Sohn wieder „aufzunehmen, und die nöthige Hülfe zu leisten, wenn er vorziehen oder für gut erachten würde, in sein früheres Verhältniß zurück zu treten“, und er hätte sich dies als wohlhabender Mann auch durchaus leisten können. Da Volheim seinen Militärdienst abgeleistet hatte, sprach nichts dagegen, seinem Gesuch zu entsprechen. Mit Datum vom 21. August 1839 erteilte die Regierung in Aachen den Auswanderungs-Konsens. Ob er die Schlosserwitwe tatsächlich heiratete, und wenn ja, ob die Ehe Bestand hatte, ist nicht bekannt.
Der fünfte und letzte Auswanderer aus Eiserfey war Franz Xaver Ambrosius Latz, bei dem es sich bemerkenswerterweise um einen dritten Vertreter des Familienverbandes der Familien Latz und Volheim handelt. Geboren wurde Latz am 7. Dezember 1840 in Eiserfey als Sohn des Hüttenbesitzers Johann Theodor Achatius Latz und der Catharina Volheim. Seine Mutter war eine Schwester der ausgewanderten Brüder Johann Heribert und Johann Wilhelm Volheim.
Wie sein Onkel Johann Wilhelm Volheim hatte Latz das Schlosserhandwerk erlernt. Seine Neigung zu diesem Beruf war sicherlich in den Hütten des Ortes entstanden. Und wie sein Onkel hielt er sich als Geselle im Ausland auf und beantragte auf dem postalischen Wege seine Auswanderung, um sich im Aufenthaltsort niederlassen zu können. Von Lüttich (Liège) aus wandte er sich unter dem 15. April 1868 an Jacob Blum, den Bürgermeister von Weyer. Er schrieb: „Da ich mich für die Zukunft gerne hier in Lüttich sichern & etabeliren möchte, daher auch ein hießiger Unterthan sein möchte und auf die Rechte als preusischer Unterthan hiermit verzichte, so geht mein gehorsamstes Gesuch dahin, mir meine Auswanderung und Austreten eines preusischen Unterthan zu sein, erwirken zu wollen“.
Die Stadt Lüttich war für Latz sicherlich kein Etappenort auf einer Gesellenwanderung. Lüttich war zur damaligen Zeit ein europäisches Zentrum der eisenverarbeitenden Industrie. Die dortigen Fabriken produzierten nach fortschrittlichsten Methoden. Latz hatte die Zeichen der Zeit erkannt und sich nicht zufällig in Lüttich niedergelassen. Für einen qualifizierten Schlosser waren die dortigen Arbeits- und Verdienstmöglichkeit weitaus besser als diejenigen in der Eifel. Die hiesigen Hütten lagen zur damaligen Zeit am Boden und wären auch durch Innovationen nach belgischem Muster kaum zu retten gewesen. Obwohl Latz Miterbe einer wohlhabenden Familie war, wollte er auf eigenen Füßen stehen und sich mit seiner Hände Arbeit eine Existenz aufbauen. Er war der Typus des fortschrittlichen städtischen Industriearbeiters. Am preußischen Staat scheint Latz nicht gehangen zu haben. Er wollte belgischer Untertan werden. Da er Zeugnisse über den abgeleisteten Militärdienst beibringen konnte und sonstige Hinderungsgründe nicht vorlagen, wurde der Konsens erteilt. Mit Schreiben vom 24. April 1868 bat der Landrat die Regierung in Aachen, dem Antrag zu entsprechen. Die Entlassungsurkunde datiert vom 28. April.
Bereits um die Mitte des Jahres 1839 mussten sich die Behörden mit dem Auswanderungsantrag des Schlossers Johann Wilhelm Volheim befassen, der sich zum Zeitpunkt der Antragstellung im Ausland befand. Der am 10. Juni 1812 in Eiserfey geborene Johann Wilhelm war der jüngere Bruder des Johann Heribert Volheim, über dessen Scheitern oben ausführlich berichtet wurde. Seine Biografie ist im Vergleich zu der Lebensgeschichte seines unglücklichen Bruders ohne Kanten, sein Lebensentwurf vorbildlich. Er erlernte das Schlosserhandwerk, womit er sich beruflich auf der Höhe der Zeit befand, denn Schlosser sollten im Betrieb von Fabriken und fabrikmäßig betriebenen Hütten bald nicht mehr wegzudenken sein. Ob er sich für diesen Beruf aus eigener Neigung oder auf Veranlassung des Vaters entschied, der 1830 die Konzession für das im Distrikt zwischen den heutigen Siedlungen Breuer und Heinen gelegenen Eisensteinbergwerk ‚Verspätetes Glück‘ (alte Müllkippe) erlangt hatte, und mit dem Gedanken spielte, sich auch im Hüttenwesen zu engagieren, muss offen bleiben.
Was aus den nach Nordamerika ausgewanderten Familien Giesen, Briesgen, Schenzer, Meurer und Volheim wurde, konnte nicht in Erfahrung gebracht werden. Zwar lassen sich für das ausgehende 19. Jahrhundert im mittleren Westen der USA Hinweise auf Namensträger der oben genannten Familien nachweisen, zum Teil in überraschend großer Fülle, jedoch bedarf die eindeutige Zuordnung dieser Informationen zu Angehörigen der ausgewanderten Familien eingehender Nachforschungen, die im Rahmen dieser Arbeit nicht geleistet werden konnten.
Von Johann Wilhelm Volheim ist bekannt, dass er auch zwanzig Jahre später noch in Laibach lebte und dort seinen Platz gefunden hatte. Als er im Jahre 1859 in Düsseldorf als Trauzeuge bei der Eheschließung seines jüngeren Bruders Hubert Anton Joseph (geb. 1816) auftrat, gab er als Wohnort Laibach und als Beruf „Realitätenbesitzer“ an, die österreichische Bezeichnung für Haus- und Grundstücksbesitzer. Er hatte ausgesorgt und musste wohl nicht mehr als Schlosser arbeiten.
Von Franz Xaver Ambrosius Latz wissen wir, dass er in der Folgezeit in Lüttich wohnen blieb und dort als Schlosser (ajusteur) arbeitete. Am 16. Dezember 1869 heiratete er Marie Thérèse Exheumont (geb. 1844), eine gebürtige Französin aus Clermont im Département De L‘Oise. Die Zeit drängte, denn nur zwei Wochen später kam die gemeinsame Tochter Marie Thérèse Barbe zur Welt. Doch das Schicksal meinte es nicht gut mit der jungen Familie. Ehefrau und Tochter starben in kürzesten Abständen. Nach dem Tod seiner Ehefrau Ende August 1870 gab Latz seine Tochter in der Obhut seiner Familie in Eiserfey, wo das Kind am 19. April 1871 starb, vermutlich in Abwesenheit des Vaters. Zehn Jahre später, am 11. August 1881, heiratete Latz in zweiter Ehe die in Lüttich wohnende Arbeiterin Elisabeth Meurer (geb. 1851) aus Kirchberg, einem heutigen Stadtteil von Jülich. Kinder aus dieser Ehe sind nicht bekannt. Hier verlieren sich die Spuren des Auswanderers.
Quellen und Literatur:
- A. Ungedruckte Quellen
- Gastautor Dr. Rolf Steinberg, Eiserfey
- Landesarchiv NRW, Abteilung Rheinland, Bestand BR 0005, Auswanderungen, Nummern 18348, S. 97, 18349, S. 38, 211f, 250, 258 und 18351, S. 169
- ebd., Bestand PA 1101, Signatur BA 981 (Kirchenbuch katholische Pfarrei Holzheim)
- ebd., Bestand PA 2101, ohne Signatur (diverse Zivilstandsregister des Landgerichtsbezirks Aachen bis 1875)
- ebd., Bestand PA 5104, Signaturen FW 20/1 – FW20/14 (Kirchenbücher katholische Pfarrei Weyer)
- B. Literatur
- Graafen, Richard, Die Aus- und Abwanderung aus der Eifel in den Jahren 1815 bis 1955. Eine Untersuchung der Bevölkerungsentwicklung eines deutschen Mittelgebirges im Zeitalter der Industrialisierung, Bad Godesberg 1961
- Velser, Albert, Auswanderer aus den Orten der Stadt Mechernich, in: Bürgerbrief Mechernich, 47. Jahrgang, Nummern 2 – 11, 23. Januar 2015 – 29. Mai. 2015
- Von der Eifel nach Amerika, Auswanderung im Gebiet der Oberahr 1840 – 1914 (= Geschichte im Kreis Euskirchen, Jahresschrift des Geschichtsvereins des Kreises Euskirchen e. V., Jahrgang 18/19), 2004/2005