Unsere Heimat zur Römerzeit

Von 55 v. Chr. bis ins 5. Jahrhundert n. Chr., also fast ein halbes Jahrtausend, war unsere Heimat dem römischen Reich einverleibt und wurde von der römischen Besatzungsmacht beherrscht. Aus dem gesamten Zeitraum gibt es nur wenige, dazu noch ungenaue schriftliche Berichte. Die wichtigsten Zeugnisse dieser Zeit sind die Bodenfunde und ihre Auswertung. Dazu gibt es sehr ausführliche neuere Literatur, auf die der interessierte Leser hingewiesen wird. Besonders die Werke von Haberey: »Die römische Wasserleitung nach Köln« und Horn: »Die Römer in Nordrhein-Westfalen« seien erwähnt. Wanderführer und Beschilderung am Römerkanalwanderweg geben auch anschaulich Auskunft über den durch Eiserfey führenden Römerkanal, das mit 110 Kilometer Länge größte römische Bauwerk nördlich der Alpen. Wir verzichten daher in dieser Schrift auf eine detaillierte Darstellung zum Römerkanal und geben dem siedlungsgeschichtlichen Überblick dieser Zeit mehr Raum, soweit er unsere engste Heimat betrifft.

Vor der Römerzeit bewohnten die keltischen Beigen unser Gebiet. Der Ortsname Billig, zur Römerzeit als Siedlung und Kontrollstation an einer wichtigen Straßenkreuzung gelegen, erinnert mit seinem römischen Namen »Belgica« an diese Bewohner. Dieser keltische Volksstamm mußte sich wahrscheinlich schon vor dem Eindringen der römischen Truppen auf dem befestigten Plateau des Kartsteins gegen die keltisch-germanischen Eburonen verteidigen, die ihren Siedlungsraum zwischen Maas und Rhein nach Süden vorschoben. Die Eburonen leisteten den römischen Eroberern heftigen Widerstand und fügten den römischen Truppen schwere Niederlagen zu. Im Jahre 53 v. Chr. trat der römische Feldherr Cäsar mit seinem gesamten Heer gegen die Eburonen unter ihrem Führer Ambiorix an. Nach seinem Sieg rottete Cäsar den gesamten Stamm der Eburonen aus. Vielleicht ließ er damals auch die Befestigungsanlage auf dem Kartstein schleifen.

In das nun entvölkerte Gebiet links des Rheins siedelten die Römer zwischen Köln und Bonn den ihnen freundlich gesinnten Stamm der Ubier an, die vorher rechts des Rheins gelebt hatten, wegen ihrer Freundschaft mit den Römern aber von ihren germanischen Nachbarn angefeindet wurden. Am mittleren Lauf der Rur siedelte Kaiser Tiberius im Jahre 8 n. Chr. 40 000 Sunuker in dem vorher von Eburonen bewohnten Land an. In der Folgezeit herrschte Friede und Ruhe in unserer Heimat. Erst ab 260 n. Chr. begannen die rechtsrheinischen Franken in unser Gebiet einzudringen, zunächst in die Ebenen, etwa ab 400 n. Chr. auch in unseren Raum. Die einheimische, teilweise noch keltoromanische Bevölkerung, wurde zunächst aus den Hauptorten verdrängt und schließlich von der fränkischen Überzahl völkisch und kulturell aufgesogen. Die römischen Besatzungstruppen hatten um 400 den Eifelraum schon völlig aufgegeben und hielten nur noch die großen Städte Köln und Trier. Nachdem die Franken einen wichtigen Lebensnerv der Stadt Köln, die Eifelwasserleitung, zerstört hatten, wurde um 455 auch Köln von den Römern aufgegeben. Die Herrschaft der Franken, von denen wir Grabstätten in der Kirche Weyer und von Zingsheim kennen, hatte sich durchgesetzt.

In Flurnamen, Ortsnamen und in der Mundart sind Reste der keltischen, germanischen und römischen Sprache bis heute bei uns erhalten geblieben, und wenn wir uns unsere Nachbarn in unserem Ort und in der Umgebung anschauen, erkennen wir, dass wir hier nicht einen einheitlichen Menschentypus vor uns haben wie in manchen anderen deutschen oder europäischen Landschaften, sondern eine Mischbevölkerung, aus der immer noch die Herkunft aus verschiedensten Stämmen erkennbar ist, die hier ihren Lebensraum hatten.

Die Römer konnten ihr Weltreich nur dank ihrer hervorragend funktionierenden Infrastruktur über so lange Zeit beherrschen. Von großer strategischer und wirtschaftlicher Bedeutung war für sie ein gutes Fernstraßennetz. Die Römer begannen mit dem Bau dieser Straßen gleich nach der Besetzung des Landes. Das römische Zentrum Köln war über mehrere Fernstraßen mit Frankreich und dem Mittelmeerraum verbunden. Eine dieser Fernstraßen, von Lyon über Trier – Jünkerath – Marmagen -Billig nach Bonn und Köln, führte über die Höhe östlich unseres Heimatortes. Die Trasse ist teilweise heute noch erhalten. Zwischen Hermesberg und der Zingsheimer Brücke liegt die heutige A1 über der Römerstraße. In der Nähe der Straße sind in römischer Zeit zahlreiche Gutshöfe errichtet worden. Auch auf den Höhen in der Nähe unseres Ortes weisen mehrere Plätze mit Resten römischer Sandsteine, Ziegel und Keramikscherben auf Wohnplätze zur römischen Zeit. Die Bauten sind bis heute noch nicht freigelegt. Dass sich zur römischen Zeit auch Menschen über längere Zeit in der Kakushöhle aufgehalten haben, ist durch Funde belegt. In Eiserfey selbst wurde bis heute noch kein römerzeitlicher Wohnplatz nachgewiesen.

Um 100 n. Chr. wurden von den Römern die Quellen bei Dreimühlen, Urfey und Kallmuth gefasst und die vorher nur bis ins Vorgebirge reichende Wasserleitung von Köln bis zu diesen Quellen verlängert. Nach Fertigstellung der Kanalstrecke flossen durch diesen Kanal täglich etwa 20 Millionen Liter Eifelwasser nach Köln. Der Kanal war nach der Römerzeit noch viele Jahrhunderte lang praktisch vollständig erhalten. Erst im Mittelalter wurden seine sämtlichen oberirdischen Teile und weite unterirdische Strecken als Baumaterial abtransportiert, der Kalksinter wurde als Marmorersatz bei Kirchenbauten verwendet.

Zur Römerzeit wurde in unserer Gegend auch Erzbergbau und Verhüttung betrieben. Aus Mechernich stammt ein Bleibarren mit Nennung der XVI. Legion, die von 43 bis 70 n. Chr. in Neuss stationiert war. Aus Zingsheim gibt es Hinweise auf Kupferbergbau zur Römerzeit. Vermutlich ist zur Römerzeit auch der Braun- oder Roteisenstein bei Eiserfey abgebaut und verhüttet worden. Schlackenfunde im Römerkanal und auf dem Kartstein könnten auf eine Eisenverhüttung schon zu dieser Zeit hinweisen.

Die römische Wasserleitung nach Köln führte mitten durch das heutige Eiserfey. Die Trasse des Kanals führt von den Hauserbenden durch Dreimühlen nach Eiserfey, vom Auel in den linken Berghang, an der Kirche vorbei, etwa gradlinig zum Sammelbecken auf dem Grundstück Hochgürtel gegenüber der „Römerstube“. Dieses Sammelbecken, 1959 zufällig gut erhalten aufgefunden, wurde nach der Freilegung aus Kostengründen wieder zugedeckt, ebenso der 1981 am Sägewerk Urfey freigelegte gut erhaltene römische Aquädukt. Im Sammelbecken flossen die Leitungsstränge von Kallmuth und Urfey mit dem Strang aus den Hauserbenden zusammen. Der Kanal führte vom Sammelbecken zum rechten Berghang, wo noch ein Kanalstück zu sehen ist, und weiter nach Vussem.

Das Eiserfeyer Sammelbecken ist ein kreisrundes Becken von 3,05 m lichtem Durchmesser; seine Sohle liegt bei 320,10 m ü. NN und etwa 2 m unter der heutigen Geländeoberfläche, die wohl auch der römischen entspricht. Die Ringmauer ist 0,52 m stark und besteht aus sauber zugerichteten Grauwacke-Steinen; den Boden bilden Ziegelplatten. Die Innenwand war mit rotem Wasserputz (Opus signinum) ausgekleidet, der größten-teils abgewittert ist. Sandsteinblöcke von halbrundem Querschnitt, von denen noch einige im Beckeninneren lagen, deckten ursprünglich die Mauerkrone.

Von den zwei eingehenden Kanälen und von dem einen abgehenden Kanal ist nur der von Dreimühlen herkommende bis obenhin erhalten: Im Lichten ist die Öffnung 0,54 m breit und 0,54 m hoch. Dieser Zulauf wird von zwei aufrecht stehenden Sandsteinblöcken gebildet, die oben mit einer dicken Sandsteinplatte abgedeckt sind.

Der von den Quellen in Kallmuth und Vollem herkommende Strang hat eine lichte Weite von 0,50 m. Er ist in seinem oberen Verlauf mehrfach angetroffen worden und hatte dort eine Plattenabdeckung. Bei Kanalarbeiten in der Hauserbachstraße kurz vor dem Sammelbecken war der Kanal jedoch mit einem Gewölbe abgedeckt, sodass er hier in dieser Weise rekonstruiert werden konnte.

Aufschluß der römischen Wasserleitung nach Köln unterhalb Eiserfey
Sammelbecken Innenansicht Foto: Waldemar Haberey

Nach der Ausgrabung wurde der Befund wieder zugeschüttet, um ihn vor Witterung-Schäden zu bewahren. Dem Wunsch zahlreicher Eiserfeyer Bürger entsprechend, kam es im Jahre 2005 zu einem Grundstückstausch, bei dem die Stadt Mechernich das Grundstück im Garten an der B 477, gegenüber der Einmündung der Vollemer Straße, mit dem Sammelbecken erwarb.

Schutzbau des Sammelbeckens an der Kreuzung B 477 / Vollemer Straße

Mit viel ehrenamtlichem Engagement brachte die Dorfbevölkerung danach das Sammelbecken freigelegt und mit einem Schutzbau versehen. Um einerseits das gut erhaltene Sammelbecken zu schützen und es andererseits für alle Besucher zugänglich zu machen, wurde ein vergitterter Pavillon errichtet. Ein Blick in das in etwa zwei Meter Tiefe gelegene Zeugnis römischer Baukunst ist jederzeit möglich.

Somit ist der Originalbefund dieses wichtigen Kleinbauwerks aus dem Verlauf des Römerkanals an Ort und Stelle mit Mitteln der NRW-Stiftung wieder sichtbar und erlebbar gemacht worden.


Quelle:
Gastautor Willi Brüll, Chronik 1125 Jahre Eiserfey 1992