Sagen aus dem Feytal und um die Kakushöhle

Aus dem Feytal sind uns zwei Sagen überliefert, die auf die Mythologie und Religion der Kelten zurückgehen, die vor mehr als zweitausend Jahren hier ansässig waren und auf die auch der Name des Baches, der Tallandschaft und des Ortes zurückgeht. Die Kelten waren, wie schon von römischen Schriftstellern bestätigt wird, sehr religiös. Sie glaubten aber nicht an einen persönlichen Gott, sondern sahen die Natur selbst und die Naturgesetze als göttlich an. Tag und Nacht, Wachsen und Vergehen, Erde, Wasser, Gestirne und alle Lebewesen waren für sie Ausdruck dieser göttlichen Naturordnung. Sie hatten daher große Ehrfurcht vor der Natur und allem Lebendigen. Ihr oberstes Gebot war, die göttliche Ordnung der Natur zu erkennen und sich ihr einzufügen. Wer diese Ordnung missachtete, hatte mit Strafen zu rechnen. Noch heute weist eine Redewendung auf diesen Glauben. Wenn Natursysteme vom Menschen zerstört werden, warnen wir: Die Natur rächt sich. Daran erinnert die alte Sage vom ewigen Jäger, den die Natur wegen eines Jagdfrevels hart bestraft. Von den Kelten wurden die Ordnungskräfte der Natur personifiziert, oft als »Juffern« oder später lateinisch »Matronae«.

Die Sage berichtet von der »Juffer Fey«, die ihren Hauptsitz im obersten Feytal hat. In den Kalkfelsen im Weyerer Wald hält sie sich auf, durchwandert aber auch die bewaldeten Höhen des gesamten Feytales. Wer den Frieden des Waldes stört, den versetzt sie, besonders bei abendlicher Dämmerung, in Angst und Schrecken. Dem Wanderer erscheint sie in vielen Gestalten, meist von Tieren, die ihrem besonderen Schutz unterstellt sind, oder sie macht sich durch allerlei Geräusche bemerkbar. Vornehmlich zu der Zeit, in der im Herbst die ersten Blätter von den Bäumen fallen, soll jeder, der die Wälder durchwandert, sich besonders in Acht nehmen und die Mahnung beherzigen: »Opjepaß on net jelaach, höck öß aller Feyen Daach!« Die Juffer Fey herrscht über das gesamte Feytal. Sie wird dabei von ihren sieben Töchtern unterstützt, denen sie besondere Plätze angewiesen hatte in Urfey, Eiserfey, Feyermühle, Burgfey, Katzvey, Satzvey und Veynau. In den sumpfigen Wiesen beim Schloss Satzvey soll die Juffer Fey mit ihren Töchtern eines Tages versunken sein.

Zwei gallorömische Matronensteine, die den »Matronis Fachineis« den Juffern Fey, geweiht waren, sind bei Zingsheim und Euskirchen-Billig aufgefunden worden.

In die Sage vom ewigen Jäger sind, wie bei vielen vorchristlichen Sagen, später Elemente christlicher Glaubenslehre eingeflochten worden. Die Sage ist uns in dieser späteren Form überliefert:

Bei Kallmuth lebte vor langer Zeit ein leidenschaftlicher Jäger, der einmal sogar am hochheiligen Weihnachtsfest zur Jagd ging. Gleich zu Beginn der Jagd hatte er einen besonders großen Hasen erlegt. Aber obwohl das Wild massenweise auftrat, gelang es ihm nicht, ein weiteres Stück zu erjagen. Ermüdet setzte sich der Jäger schließlich auf einen Felsblock im Weyerer Wald und legte seine Jagdtasche zur Seite. Plötzlich, als es gerade vom Weyerer Kirchturm zur heiligen Wandlung läutete, kam die Juffer Fey leise an die Tasche heran und flüsterte dem Hasen zu: »Wach auf, wach auf, lieb Schwester Marie! Jetzt gilt’s zu enteilen, jetzt oder nie!« Und sogleich sprang der Hase aus der Tasche und verschwand im nahen Dickicht. Der Jäger aber griff wütend nach seiner Waffe, lief dem entsprungenen Hasen nach und rief: »Ich will dich wiederhaben, und wenn ich dich jagen müsste bis zum Jüngsten Tag!« Bis heute hat er den Hasen nicht gefunden, und noch immer durchstreift er die Wälder oberhalb Urfey. Und wer zu ungewöhnlicher Zeit oder bei stürmischem Wetter diese Wälder betritt, der wird noch heute zur Vorsicht gemahnt: Der ewige Jäger könnte ihm begegnen.

Die Sagen, die sich um die Kakushöhle ranken, sind bis auf eine wohl erst zur Zeit der Romantik im vorigen Jahrhundert entstanden. Seit dieser Zeit ist auch der alte Name Kartstein aus der Hochsprache verdrängt worden und nur noch in der Mundart »Koansteen« gebräuchlich.

Nach der Darstellung Schiffers war 1907 das Gesicht des Herkules deutlich an einer Felswand des Kartsteins zu erkennen

Die Sage vom Riesen Kakus hat ein fantasievoller Romantiker, wahrscheinlich ein örtlicher Lehrer, dem antiken Schriftsteller Vergil entlehnt, der den Kampf des Riesen Kakus mit Herkules schildert. Die Beschreibung der Höhle des Kakus am Ufer des Tiber bei Rom passt genau auf die Höhle am Kartstein. Kakus soll, von Herkules verfolgt, in unsere Gegend geflohen sein und sich in der Höhle versteckt gehalten haben. Als Herkules ihn endlich fand, entbrannte ein unvorstellbarer Kampf. Die beiden Riesen bewarfen sich mit mächtigen Felsbrocken, die sich schließlich mehr als haushoch auf-türmten. Kakus wurde endlich besiegt und starb unter einem Felsbrocken. Aber auch Herkules war in dem Kampf lebensgefährlich verwundet worden. Auf dem Herkelstein bei Holzheim soll er seinen Verletzungen erlegen sein.

So stellte Schiffer 1907 des Kartstein mit dem Kopf des Kakus in seinem Führer durch das Feytal dar

Früher war der Kartstein nur von niedrigem Buschwerk umgeben, und man konnte von Eiserfey aus an zwei vorspringenden Felsnasen deutlich die Gesichter der beiden Riesen erkennen.

Da die Herkunft des Namens Kartstein ungeklärt ist, konnte sich mit diesem Namen leicht eine weitere Sage verbinden:

Eiserfey gehörte früher zur Pfarre Weyer, und ein Weg zum sonntäglichen Gottesdienst in Weyer führte auch an der Kakushöhle vorbei. Drei junge Burschen taten so, als gingen sie zur Messe, blieben aber dann regelmäßig in der Kakushöhle hocken, um während des Gottesdienstes dem Kartenspiel zu frönen. Eines Sonntags besuchte ein gut gekleideter Fremder die Höhle und schaute den Kartenspielern zu. Er wurde zum Mit-spielen eingeladen. Bald verlor er viel Geld an die Mitspieler, deren Spielleidenschaft dadurch noch weiter angetrieben wurde. Im Eifer des Spiels fiel einem der Burschen eine Karte zu Boden. Er bückte sich und erschrak. Der Gast hatte einen Pferdefuß. In großer Aufregung und panischer Angst bekreuzigten sich die drei und rannten weg, um nie wieder die Höhle zu betreten. Vor Wut, dass ihm diese Seelen doch noch entgangen waren, stieß sich der Teufel mit seinem Pferdefuß von der Decke der Höhle ab und verschwand unter großem Getöse in die Erde. Der Abdruck des Pferdehufes und der Felsspalt, durch den der Teufel verschwand, sind noch am oberen Ausgang der großen Höhle zu erkennen.

Die kleine Höhle heißt auch »Kengsches Holl«. Man erzählte den Kindern, aus dieser Höhle holten die Hebammen die kleinen Kinder. Unartigen Kindern drohte man, sie wieder in die Höhle zurückzubringen, in der sie dann auf Nimmerwiedersehen verschwinden würden.

Eine weitere Sage geht wohl auf keltische Mythologie zurück. Im Volke hält sich noch heute hartnäckig der Glaube, von der Kakushöhle habe früher ein unterirdischer Gang zur Kirche in Weyer geführt, an deren Stelle ein heidnischer Tempel gestanden habe. Von der großen Höhle führt zwar ein kurzer Seitengang in Richtung auf die Weyerer Kirche, der aber durch Auswaschung durch einen Wasserlauf entstanden ist. Dieser unterirdische Wasserlauf, der vom Weyerer Wald kommend unter der Weyerer Kirche verläuft, liegt heute tief unter den Höhlen. Die Kelten, die sich auch auf dem Kartstein aufgehalten haben und an der Stelle der Weyerer Kirche höchstwahrscheinlich eine Kultstätte hatten, maßen solchen Verbindungen durch unterirdische Wasserläufe eine große kultische Bedeutung bei.


Nach Überlieferungen zusammengestellt von Willi Brüll in Chronik 1992 Eiserfey